Mit der MS AMADEA ins östliche Mittelmeer


und ein bisschen Schwarzes Meer

... und Travel-Chaos war wie immer mit Begeisterung dabei (Zeichnung von: Marten Pfirrmann, Emmerich)


Vor zwei Jahren hatten wir unser Traumschiff gefunden: die MS AMADEA. Und hatten es genossen, darauf über den Atlantik zu schippern, den Amazonas rauf und runter, den Orinoko, die Karibik...

Ach, war das schön.

Schon sehr bald anschließend hatte ich meinen Finanzminister überzeugt, dass er unbedingt noch einmal eine Kreuzfahrt machen wollte. Eine ganz klitzekleine diesmal. Nur zwei Wochen. Ins östliche Mittelmeer und dann durchs Schwarze Meer.

Wir buchten im Januar 2013. Um den Frühbucherrabatt zu bekommen.

Offiziell.

Ich legte mehr Wert darauf, die Reise fest eingewickelt in trockenen Tüchern zu haben.

Was wir zu dem Zeitpunkt noch nicht wussten, war, dass unser elender Wicht von Travel-Chaos sich schon wieder eingemischt hatte und wir nur mit Mühe und Not, auf den letzten Drücker, tatsächlich am 16. Oktober 2014 unsere Reise antreten konnten. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Mit der Bahn wollten wir morgens zum Düsseldorfer Flughafen fahren. Ist ja weiter kein Problem. Denn der RE5 startet hier und ist leer, so dass man nicht mitsamt seinen großen Koffern durch den Zug irren muss, um Platz zu finden.

Aber pünktlich zu Urlaubsbeginn streikten die Lokführer. Taxi also.

Ich konnte es zwar noch nicht so richtig glauben, aber der Flieger stieg super pünktlich in die Luft. Vor Erschöpfung fiel mir das Kinn auf die Brust und ich wollte eine kleine Runde dösen. Aber plötzlich gellte ein Schrei durch die Kabine: Steward!

Ein alter Mann war kollabiert. Zum Glück waren zwei Ärzte an Bord und konnten helfen.

 

Nach 1 ½ Stunden landeten wir bei strahlendem Sonnenschein pünktlich in Nizza. Sogar die Koffer landeten in Nizza und nicht etwa in Nowosibirsk, Helsinki oder Timbuktu!

Im Hafen lag unsere MS AMADEA, strahlend weiß mit türkisfarbenem Phoenix-Schornstein im ebenso türkisfarbenen Wasser des Mittelmeers. URLAUB!

 

Ich konnte es gar nicht abwarten, nach dem Begrüßungssekt im Terminal endlich an Bord zu gehen. Ob unsere Kreuzfahrt-Bekannten Hedwig und Theo schon da waren? Sie hatten zwei Tage Vorprogramm in Nizza gebucht. Aber erst einmal einchecken in der Atlantik-Lounge.

Der erste Mann am ersten Tisch mit den Bordausweishüllen und Türöffnungskarten erstarrte sekundenlang bei unserem Anblick, dann sprang er auf, und sein Gesicht zerfloss vor Freude. Er strahlte über das ganze Gesicht, streckte mir die Arme entgegen und fiel mir um den Hals: Mommy! Es war unser Kellner von vor zwei Jahren. Ein schrecklich netter, junger Philippiner. Er bedeckte immer wieder seine Augen, ganz außer Fassung. Aber wir freuten uns genauso.

 

Unsere Koffer kamen fast gleichzeitig mit uns in der Kabine an, und da wir noch reichlich Zeit hatten bis zum Auslaufen, fing ich gleich an, alles auszupacken. Dann nix wie hoch an Deck. Etliche Leute standen schon herum. Kellner mit Tabletts voller Sektgläser wuselten dazwischen. Ich schnappte mir gleich eins und stellte mich an die Reling. Was für ein grandioses Panorama! Seitlich vor uns im alten Hafen dümpelten Jachten sanft auf und ab. Da irgendwo auf der Kaimauer hatten wir damals mit der Familie gesessen und gefrühstückt, als wir mit dem Bus unterwegs waren nach Monaco. (Wo uns der Bus zurückgelassen hatte! Erzählt in meinem Buch „Emmerich in Übersee“ im Kapitel: „Einmal Süden und zurück“.)

 

Ich war einfach nur glücklich. Endlich wieder an Bord. Herrliches Wetter. Eine überwältigende Aussicht. Und – unsere Bekannten! Da kamen sie die Treppe von Deck 10 herunter, ebenfalls mit Sekt in der Hand. Gar nicht so einfach, sich mit Sektgläsern, einer Canon mit Objektiv und einer Videokamera in den Händen stürmisch zu umarmen...

 

Nizza vom Hafen aus betrachtet, oder aber auch vom Meer aus, ist einfach grandios. So eine wunderschöne Kulisse! Dazu der Sonnenuntergang, langsam, eindrucksvoll, wie nach Drehbuch. Flieger, die durch die tiefrote Glut am Himmel majestätisch zur Landung ansetzten. Es war alles so perfekt schön, dass ich insgeheim sicher war, dass wir Travel Chaos diesmal überlistet hatten und er nicht an Bord war. Eine Freundin hatte mir noch eine WhatsApp geschickt, dass sie Travel eingefangen und festgesetzt hätte. Also: keine Sorge und – schönen Urlaub!

Ich schrieb unseren Töchtern, dass wir gut auf dem Schiff angekommen sind und fügte ein Foto vom Papa an der Reling bei.

Damit war mein Guthaben auf. Schrieb mein Smartphone. Ich war entsetzt. Das konnte doch gar nicht sein. Ich hatte doch gerade erst für einen neuen Monat beim Aldi aufgefüllt? Funktioniert das im Ausland nicht? WhatsApps von Deutschland ins Ausland gehen doch problemlos. Wieso nicht auch umgekehrt?

Ich war leicht beunruhigt. Aber zur Not konnte ich ja noch auf das freie WLAN vom Schiff zurückgreifen. Ich loggte mich ein und wollte eine WhatsApp verschicken. Aber – niente!

WhatsApp kicherte bösartig wie sonst nur Travel und schrieb: Ätschibätschi, tu ich nicht! Vergiss Amadea! Die will ich nicht!

Jetzt war ich vollends beunruhigt. Das warf meine ganzen Pläne über Bord. Ich hatte doch rundherum versprochen, immer zu schreiben und von überall Fotos zu schicken.

Und nun? TRAVEL!

 

Um 19 Uhr lichtete die MS AMADEA die Anker Richtung Griechenland. Zum ersten Mal wieder seit zwei Jahren lauschten wir der Auslaufmelodie. Dann aber nix wie runter auf Deck 5 zum Restaurant „Vier Jahreszeiten“, einen Tisch für uns Vier suchen, natürlich im Bereich von Rodel.

Seine Augen strahlten mit seinem Raubtiergebiss um die Wette, als er uns kommen sah.

Wie immer wurden wir fürstlich bedient. Und die Küche...! Vor zwei Jahren war sie schon sehr gut, aber jetzt? Absolut top! Wir waren nur noch glücklich.

Nach einem Absacker-Wein oben auf Deck 9 fielen wir wie tot in unser Bett und vertrauten unserem Kapitän Flohr, dass er uns und die MS AMADEA sicher durchs nächtliche Mittelmeer steuert.


Die erste Nacht an Bord war wie immer gewöhnungsbedürftig, das schmale Bett, das kleine Kopfkissen, die Helligkeit unter der Türe hindurch. Am nächsten Morgen fühlten wir uns beide wie gerädert. Aber solche Kleinigkeiten wie Rücken, Schlaflosigkeit, oder Schulter  können einem echten Seebären nicht die gute Laune vermiesen. Hauptsache: wieder Decksplanken unter den Füßen und frischen Seewind in der Nase.

Bei unserem Kabinensteward erbaten wir uns zwei weitere Kopfkissen und dann nichts wie runter ins „Vier Jahreszeiten“, wo wir von Rodel und seinen Jungs wieder schamlos verwöhnt wurden.

 

Es war ein Seetag. Nachts war die AMADEA oberhalb von Korsika durchs Ligurische Meer geschippert, jetzt bei strahlender Sonne kreuzten wir durchs Tyrrhenische Meer auf Sizilien zu. Am liebsten hätte ich mich gleich oben auf dem Sonnendeck auf einer Liege von dem fantastischen Frühstück erholt. Aber zuerst mussten wir noch in die Atlantik-Lounge, wo Thomas den ersten Diavortrag über die bevorstehenden Landausflüge oder Landgangsmöglichkeiten hielt. Ach, was sag ich: hielt - er zelebriert seine Vorträge. Auf seine unnachahmliche Art ist Thomas Kult. Wir kannten ihn ja schon bestens von der letzten Reise. Daher hätte ich um keinen Sonnenstrahl der Welt auf diese Stunde verzichtet. Man muss ihn erlebt haben, um es zu verstehen.

Mitten im Vortrag klingelte ein Handy. Es klingelte. Und klingelte. Penetrant und aufdringlich. Und derjenige welche kriegte es nicht gebacken, das Ding zu stoppen. „Soll ich rangehen?“ fragte Thomas freundlich durchs Mikrofon. Endlich schaffte es der Handybesitzer, das Gebimmel zu killen und fing an zu telefonieren. „Bestell schöne Grüße von mir“, rief Thomas. Und dann: „Oder besser, ich telefonier gleich selber.“

Endlich verstand der Mann und stolperte die Stufen hoch durch die Lounge zum Ausgang. Das Handy am roten Ohr. Der ganze Saal lachte.

 

Ich verbrachte bis zum späten Nachmittag viel Zeit oben auf Deck 11 in der warmen Sonne. Einfach nur schön. Unendlicher, blauer Himmel über mir, rundum schwarzes Wasser mit der hell schäumenden Heckwelle und Ruhe. Wie hatte ich mich darauf gefreut!

Abends war gleich Willkommen-Captains Dinner angesagt. Aufmarsch der neuen Passagiere, um dem Kapitän und dem Kreuzfahrtdirektor das Pfötchen zu schütteln und ein ganz zwangloses Foto mit den Beiden für kaum nennenswertes Geld machen zu lassen.

Das mussten wir Vier nicht mehr haben. Also schlugen wir einen Bogen und suchten uns gleich einen guten Platz in der Atlantik-Lounge für den Sektempfang und Vorstellung der Oberhäupter.

Anschließend gab es das erste Kapitäns Dinner zum Empfang. Grandios, absolut grandios. Eigentlich viel zu schade zum schnöden Aufessen.

 

Das Beste an diesem Abend stand uns aber noch bevor: der berühmte Stromboli. Er ist der aktivste Vulkan Europas auf der gleichnamigen Insel. Er spuckt in unregelmäßigen Abständen, oft im Minutentakt, flüssige Lava aus, die entweder gleich wieder in den Krater zurück läuft oder aber in Bahnen hinunter ins Meer rollt. Weltweit ist der Stromboli einer der ganz wenigen daueraktiven Vulkane. (Diese Informationen habe ich der Bord-Info entnommen).

Gegen 22 Uhr sollten wir ihn erreichen und backbord ganz langsam daran vorbeifahren, versprach der Kapitän.

Ganz nah? - Eine Glocke in unserem Gehirn schlug Alarm. Hatte das dieser Italiener mit der Schmalzlocke nicht auch gesagt, unmittelbar, bevor er den Pott auf einen Felsen aufgesetzt und zufällig als Erster ins Rettungsboot gefallen war? Aber unser Kapitän Flohr  ist ein ganz anderer Typ. Ein gestandener, erfahrener Kapitän, und wir vertrauten ihm.

Hedwig und Theo hatten eine Suite mit großem Backbord Balkon. Sie luden uns ein. Also machten wir es uns mit ihnen und einer Flasche Rotwein dort bequem. Der Himmel war übersät mit Millionen Sternen, und die MS AMADEA glitt durch die warme Dunkelheit wie ein Fisch durchs Wasser.

Immer wieder standen wir auf und reckten den Hals. Es ging auf 22 Uhr. Langsam müssten wir doch etwas sehen können!

Und dann, nach einem leichten Schlenker, war der Stromboli direkt seitlich vor uns. Vier Lavaströme ergossen sich bergab ins Meer. Wie eine gespenstische Bergautobahn in schwarzer Nacht, vierspurig, voll von feuerroten Fahrzeugen, die sich jagen, überholen, umstürzen, fallen, drängen, ausweichen und dann ins Meer stürzen. Fantastisch, einfach fantastisch!

Ich versuchte, diesen Anblick mit der Canon festzuhalten, aber entweder war es zu dunkel, oder aber ich habe im Dunkeln die falsche Einstellung erwischt.

Ganz langsam, wie auf Zehenspitzen, schlich die AMADEA vorbei. In der Ferne blinkten die Lichter der nahen Küste, und die blutroten Feuerströme verblassten.

Wir näherten uns der Straße von Messina. Aber es war spät, und wir wollten lieber in unser Bett.

Das Erlebnis mit dem Stromboli war ohnehin nicht mehr zu toppen.

So verschliefen wir, wie um halb eins der Lotse an Bord genommen wurde und das Schiff vor Anker gehen musste, weil es einen medizinischen Notfall an Bord gab, der nur an Land im Hospital behandelt werden konnte. So fuhr die AMADEA erst mit einiger Verspätung weiter.

 

Auch der Samstag war wieder Seetag. Vormittags wurden wir mit einem speziellen Frühschoppen an Deck verwöhnt: Austern und viele andere Köstlichkeiten, Sekt und Doppelkorn. Aber ich blieb lieber auf meiner Liege oben auf dem Sonnendeck. Ich war noch pappsatt vom Frühstück. Und diese glibbrigen Dinger sind ohnehin nicht mein Ding. Mein lieber Mann dagegen ignorierte seinen auch noch vollen Bauch und schlabberte genüsslich Austern und leckere Salate.

 

Durchs sonnige Mittelmeer schipperten wir auf Griechenland zu. Morgen würden wir in Nauplia/ bzw Nafplio auf dem Peloponnes ankommen und zum ersten Mal an Land gehen. Im neunzehnten Jahrhundert war die Stadt zeitweise zweite Hauptstadt, 1833 hatte hier sogar der griechische König Otto von Bayern residiert.

Von dort aus wurden Busausflüge angeboten nach Mykene und Alt-Korinth oder zum Kanal von Korinth. Bestimmt sehr interessant, mal auf den vorklassischen Ruinen herum zu wandern, aber andererseits: die Zeit, die wir dann im Bus verbringen würden, könnten wir genauso gut nutzen, um uns Nauplia selber anzusehen. Wir beschlossen, genau das auch zu tun.

In Nauplia gingen wir zum ersten Mal von Bord. Der Tender brachte uns direkt bis ins Städchen. Emsiges Treiben überall, Sonntag, Ausgehtag.

Wir ließen uns mit einer Art offenem Bus hoch bringen zur Festung Palamidi, die in 220 Metern Höhe die Stadt weithin sichtbar überragt. Mitten im Eingangsgewölbe stand ein Kassenhäuschen. War aber nicht teuer. Für Rentner nur 2,--€. Also sagte ich der Dame drinnen: two oldies, please. Sie sah uns an und nickte. OK, alles klar..)

Wir wanderten auf und ab durch die alten Festungsmauern. Dabei ist sie längst nicht so alt, wie sie ausieht. Sie stammt aus den ersten Jahren des 18. Jahrhunderts. Aber immer wieder fragt man sich unwillkürlich, wie haben sie das nur geschafft damals ohne schweres Gerät? Wieviele Menschen sind dabei drauf gegangen? Erschlagen oder zermalmt worden von den tonnenschweren Quadern? Menschen waren damals keine Mangelware, Arbeiter gab es genug, und ein paar mehr oder weniger...?

Die Aussicht über die Brüstungen hinweg ist einfach grandios. Vor allem, wenn die Sonne strahlt und der Himmel so blau wie das Meer leuchtet.

Unten im Städtchen war der Bär los. Alles, was laufen konnte, war unterwegs. Mit Kind und Kegel. Selbst eine Hochzeit konnten wir miterleben.
Aber das Allerschönste hier in Nauplia (für mich jedenfalls) waren die wahnsinnig tollen Schmuckgeschäfte. Überall in der Altstadt. Eins neben dem anderen. Mein Finanzminister fing gleich beim ersten an zu hyperventilieren. Dabei wollte ich doch nur gucken! Handgearbeiteter Schmuck. Erlesen. Ganz ausgefallen. Und die Preise - total günstig! Hedwig und ich drückten uns die Nasen an den Schaufenstern platt. Wir hätten ja können - die Geschäfte waren geöffnet - aber wir haben nicht. Wir haben widerstanden!
In einem anderen Geschäft stand ein großer Webstuhl, an dem die Besitzerin die feinsten Stoffe webte und zu Schals, Krawatten und Schmuck verarbeitete.

Wir liefen und schauten, bis wir mit müden Beinen zum Tender zurück mussten.

Und weiter ging's durch die Dardanellen ins Marmarameer Richtung Istanbul.


Montag, am 20.10.14, tauchten nachmittags am Horizont verschwommene Konturen auf. Das musste Istanbul sein. Silhouetten schwebten im Dunst auf dem Meer, von rechts nach links, soweit wir gucken konnten. Das konnte doch nicht alles nur eine einzige Stadt sein?

Langsam passierten wir den alten Stadtteil, die blaue Moschee mit ihren sechs Minaretten, die Hagia Sophia und das Goldene Horn.

Pünktlich um 18 Uhr legte die MS AMADEA an.

 

Wir hatten gleich für den Abend eine Lichterfahrt auf dem Bosporus gebucht. Wenn es in Istanbul dunkel wird, erstrahlt die Stadt wie ein bunt blinkender Weihnachtsbaum.

Auf dem kleinen Boot war es kalt, es zog wie Hechtsuppe. Ich zog mir den Schal dicht vor den Hals und den Kopf zwischen die Ohren. Die beiden riesigen Hängebrücken, die über den Bosporus nach Asien führen, glitzerten wie mit bunten Strasssteinen besetzt über dem dunklen Wasser. Ganz Istanbul strahlte und leuchtete. Es war ein Erlebnis. Wenn auch ein recht kaltes. Ein Bus brachte uns mit einer kleinen Stadtrundfahrt zurück zum Schiff. Wir passierten unter anderem den Hauptbahnhof, die Endstation des Orientexpress. Von dort aus wurden früher illustre Gäste in einer Sänfte zum Orienthotel getragen.

 

Am nächsten Morgen ging's schon um 7.45 weiter. Wir hatten Istanbul Intensiv gebucht, eine Tagestour. Wie immer, wenn es ans Laufen ging, bandagierte ich meine morschen Sprunggelenke und stieg in die bequemen, uralten Laufschuhe. Sicher ist sicher.

Die Sonne strahlte schon früh am tiefblauen Himmel, es wurde warm und immer wärmer.

Der Bus brachte uns erst zum goldenen Horn, dem Meeresarm, der das europäische Istanbul in zwei Teile teilt, dann am Galataturm vorbei, den dicken Quadern der ehemaligen Stadtmauer und über die Galatabrücke zur Altstadt. Auf der Brücke standen dicht an dicht Fischer, die ihre Angel ausgeworfen hatten. Riesige Seemöwen zogen kreischend ihre Bahn zwischen den Fischerbooten. Ein MSC-Schiff lag verankert, ein Koloss wie ein hässliches Hochhaus, nur mit viel Fantasie konnte man ein Schiff darin erkennen. Niemals würde ich auf so einem Teil buchen!

 

Zu Fuß gingen wir weiter zur blauen Moschee. Sie stammt aus dem 17. Jahrhundert und hat durch ein Versehen oder vielmehr Missverständnis sechs statt der üblichen vier Minarette. Ich weiß es nicht mehr so ganz genau: aber es hängt damit zusammen, dass der Sultan Ahmet goldene Minarette in Auftrag gegeben hat, der Bauherr aber verstanden hat: sechs Minarette. Die beiden Worte gold und sechs  klingen wohl sehr ähnlich. Aber vielleicht war er auch nur ein bisschen schwerhörig? Jedenfalls baute er eine neue Moschee mit sechs Minaretten.

Im Inneren sind mehr als 21000 blaue Kacheln verarbeitet worden, die die Moschee in sanftes Licht tauchen. Daher auch der gebräuchliche Name: blaue Moschee statt Sultan Ahmet-Moschee. Man hat das Gefühl, sie ist eher eine Touristenattraktion denn ein islamisches Gotteshaus. Menschenmassen schoben sich Stück für Stück Richtung Eingang. Kopftuch und Schuhe-aus ist Pflicht, bevor man die Moschee betritt. Unsere Führerin, eine sehr westlich orientierte Frau, die auch fließend Deutsch sprach, wetterte ungeniert gegen Erdogan und seine rückständigen Ansichten. „Am liebsten würde er uns alle wieder in eine Burka stecken und an den Herd verbannen.“

Die Schönheit im Inneren der Moschee ist schlicht überwältigend, sieht man mal von den drängenden Menschenmassen ab. Die angehängten Fotos können nur einen kleinen Eindruck wiedergeben. Ich versuche es trotzdem.

 

Weiter ging es zur Hagia Sophia, oder Ayasofya, wie sie im Türkischen heißt. Sie gilt als eine der großartigsten Kirchen der Welt. Im 4. Jahrhundert ist sie als Basilika entstanden, abgebrannt, wieder aufgebaut, von den Türken erobert und nach Ergänzung durch vier Minarette als Moschee genutzt worden, bis sie schließlich im vorigen Jahrhundert vom Atatürk zum Museum erklärt wurde.

Auch hier blendende Pracht, Marmor, christliche Mosaike, die Jahrhunderte lang übermalt waren und jetzt nach und nach wieder freigelegt werden. Ein riesiges Gerüst zeugt von den umfangreichen Sanierungsarbeiten. Ein steinerner Gang führt wendeltreppenartig nach oben zur Galerie.

 

Istanbul ist eine absolut faszinierende Stadt. Wir durchstreiften sie zu Fuß, hörten die Rufe der Muezzin von einer Moschee zur nächsten aus dröhnenden Lautsprechern, stöberten durch den großen Basar, sahen hier und guckten da und stiegen hinab in die Zisterne, den „versunkenen Palast“ . Eine fantastische Unterwelt direkt neben der Hagia Sophia. Säulendom wird sie auch genannt wegen ihrer Marmorsäulen, die das Ziegelgewölbe tragen. 336 Säulen sind es, habe ich nachgelesen. Zwölf Reihen mit je 28 bis zu acht Meter hohen Säulen. Dazwischen das schimmernde Wasser im diffusen Lichtschein. Und die steinernen Medusenköpfe ganz am Ende der Zisterne. Wahnsinn, was in grauer Vorzeit schon alles gebaut worden ist.

 

Der Topkapi-Palast, die ehemalige Residenz der osmanischen Sultane, war geschlossen. Dienstags Ruhetag. Immer. Und gerade den hätten wir alle so gerne gesehen! Ein Aufschrei ging durch die Gruppe: Warum wusste das niemand...? Die Besichtigung stand doch in der Reisebeschreibung...! Gerade deswegen haben wir doch diesen Ausflug gebucht...!

Aber es nützte alles nichts. Er war zu und blieb zu. Hoffentlich war das kein Anzeichen, dass unser Travel-Chaos wieder aufgewacht war...

Unsere Reiseleiterin hatte damit kein Problem. Istanbul hat so viel zu bieten. Machen wir halt was anderes. Sie führte uns zum Galataturm. Auch hier eine Menschentraube auf den Stufen vor dem Eingang. Aber das war es wert. Die Aussicht von hier oben ist einfach grandios. Vor allem, wenn der Himmel blau und die Sicht ungetrübt ist.

 

Und so liefen wir uns einen ganzen langen Tag in Istanbul die Füße platt, um alles zu sehen, was man an einem einzigen Tag sehen kann. Einen Bruchteil dessen, was es alles Sehenswertes gibt.

Um halb sechs sollte alles zurück an Bord sein. Wir schafften es mit Hängen und Würgen. Um sechs Uhr lichtete die MS AMADEA die Anker. Auf dem Achterdeck gab es Sekt zum Abschied und die Abschiedsmelodie in Live statt wie sonst vom Band.

Da standen wir nun mit qualmenden Füßen, ein Glas Sekt in der Hand und sahen zu, wie die Trosse gelöst wurden und das Schiff sich langsam vom Kai entfernte. Während wir noch neben der Küste entlang schwammen, der Bosporus-Meerenge zu, sank die Sonne langsam wie im Bilderbuch und tauchte das langsam entschwindende Istanbul in blutrotes Licht.

 

Adieu, Istanbul! Bist eine super tolle Stadt! - Aber jetzt auf ins Restaurant!

Morgen ist auch noch ein Tag. Morgen kommen wir nach Konstanza am Schwarzen Meer.


Mittwoch, 22.10.2014

Morgens um acht Uhr legt die MS Amadea pünktlich an.  Die nächtliche Fahrt durchs Schwarze Meer war friedlich und sanft. Ein kurzer Blick aus dem Fenster: ah, das dürfte Konstanza sein!

Das ist das Tolle an einer Kreuzfahrt: man geht abends, na ja, eher nachts, im geografischen Irgendwo in sein eigenes Bett in seine eigene Kabine, träumt wie zuhause, wird morgens wach und ist ganz woanders. Auf einem anderen Meer vielleicht, vor einer anderen Stadt, in einem anderen Land oder sogar Kontinent. Dabei hat man nichts davon mitgekriegt. Drinnen ist alles wie sonst. Das Bad ist da, wo es hingehört, die Klamotten auch. Aber statt gähnend in die Küche zu schlurfen und das Frühstück zuzubereiten, schlendert man ganz entspannt in den Speisesaal, wo schon die leckersten Leckereien darauf warten, ausgesucht zu werden. „Omelett, Mommy?“

Ich hatte mir angewöhnt, morgens ein Omelett zu bestellen, einfach, weil es so herrlich frisch und fluffig war mit dem frischen Gemüse und Kräutern. Wir wurden verwöhnt wie die Prinzen, es blieb kein Wunsch offen.

Entschuldigung, ich schweife ab....


Konstanza also, morgens um acht Uhr. Die MS Amadea lief in den kleinen Hafen ein und – stoppte. Unser Liegeplatz, seit Monaten bestellt und bezahlt, war besetzt. Von zwei kleineren Schiffen. Also dümpelten wir im Hafenbecken vor uns hin und warteten, bis die Schiffe losgemacht hatten und sich weg schlängelten. Gottlob war es windstill. Ansonsten hätte diese Situation für uns im engen Hafenbecken böse enden können. Sagte der Kreuzfahrtdirektor.

Travel, du fängst doch wohl nicht wieder an? Lass – es !

 

Es dauerte, bis die Amadea endlich vertäut war, dann das übliche Procedere mit Offiziellen an Bord, Schiffsfreigabe.... Durch diese Verzögerung verschoben sich sämtliche Ausflüge, die bestellten Busse warteten sich die Reifen platt.

Wir hatten kein Problem damit. Wir wollten nämlich überhaupt nicht von Bord gehen. Wie wir gehört hatten, lohnte sich die Stadt nicht sonderlich, und das, was wir von Bord aus so sahen, reizte uns auch nicht. Also schön röstig heute. Waschen, Tagebuch nachschreiben, Mails verschicken, ausruhen....

...Kam denn nicht tatsächlich von unserer Ältesten eine Mail herein! Ich hatte die Hoffnung schon aufgegeben und ausführlich auf die verfluchte Technik geschimpft, die mir den engen Kontakt mit unseren Töchtern verwehrte. Wir hatten an Bord eine kleine Flat für eine halbe Stunde gekauft für 20,--€, nachdem unser eigenes Guthaben innerhalb von Sekundenschnelle weg war. Na ja, war meine Schuld, dass ich zuhause keine Auslands-Flat dazu gebucht hatte. Ich hatte nicht richtig überlegt, und das, obwohl ich wusste, dass ich anfange zu hyperventilieren,  wenn ich keine Verbindung kriege, wann immer ich sie brauche...

Aber bei dem Buchungsstress vorher war das kein Wunder.


Gegen Mittag, als wir mit allem durch waren, kam die Sonne durch und wir krochen ermattet auf eine Liege oben auf dem Sonnendeck. Natürlich erst, nachdem wir uns im Speisesaal von Rodel und Francis hatten verwöhnen lassen. Um 18 Uhr verließ die MS Amadea den Hafen von Konstanza und machte sich auf den Weg nach Odessa/ Ukraine.


Am nächsten Morgen, Donnerstag, 23.10.2014, hatten wir wieder in einem sehr engen Hafenbecken festgemacht. Hallo, Odessa!

 

Wir lagen fast direkt vor der berühmten Potemkin- oder besser Potjomkin Treppe. Zehn Absätze, unten 21 Meter breit, nach oben zu immer schmaler mit insgesamt 192 Stufen. Aber man muss sich da nicht hoch quälen, wenn man nicht kann oder will. Neben der Treppe fährt eine Zahnradseilbahn für umgerechnet 12 Cent. Aber sie nehmen nur die einheimische Währung. Die wir natürlich nicht hatten. Aber bei 50 Cent drückt der Fahrer schon mal ein ukrainisches Auge zu und nimmt dich mit.

Mit Stadtplan und Informationen bewaffnet, machten wir uns zu Fuß auf den Weg, die Stadt zu erkunden. Der Himmel schwankte zwischen Sprühregen und trockneren Phasen. Es war unangenehm nasskalt. Der Wind trieb nasses, buntes Herbstlaub über den berühmten Primorsky Boulevard mit seinen alten, pompösen Gebäuden. Langsam, im großen Bogen, schlenderten wir Richtung Innenstadt. Auffällig waren die vielen Baugerüste. Offensichtlich wird nach und nach renoviert, was alt und baufällig ist.

Wunderschöne Bauwerke, Denkmäler mit berühmten Namen, ein Park, die Verklärungskirche, ich glaube, die schönste Kirche, die ich jemals gesehen habe, Museen, die deutsche Botschaft, das Opernhaus, die Passage mit den barocken Skulpturen zwischen den Geschäften. Ach, es gibt in Odessa so viel zu sehen. Wie auch in Istanbul bräuchte man hier viel mehr Zeit, um auch nur annähernd alles zu sehen.

In einer der großen Prachtstraßen der Innenstadt hockte ein junger Mann in Landestracht auf einem Schemel auf dem Bürgersteig, hinter sich sein Fahrrad an der Hauswand, sang und spielte auf seiner Bandura. Wir blieben stehen und lauschten. Er hatte eine wunderbare, gut ausgebildete Stimme. Er erzählte uns, dass sein Instrument, das ein bisschen unserer Zither gleicht, ein typisch ukrainisches Volksinstrument ist.

Odessa ist eine sehr musikalische Stadt, die nicht nur eines der schönsten Opernhäuser der Welt hat, sondern auch noch an die zehn Musikhochschulen. Es ist ganz normal, dass sich irgendwo in der Stadt Musiker aufstellen und spielen. Und die Leute bleiben stehen, singen und tanzen. Selbst mit Fellstiefeln und Wintermantel. Auch die Oper ist immer sehr gut besucht. Heutzutage ist der Eintritt leider sehr teuer geworden, für einen der besten Plätze bezahlt man an die acht (!) Euro. Das ist sehr viel Geld. Früher waren die Eintrittspreise günstig. Hausfrauen, die vom Einkaufen vorbei kamen und noch ein bisschen Luft hatten, bis sie zuhause das Essen kochen mussten, unterbrachen häufig ihre Einkäufe, gingen hinein, gaben ihre Einkaufstaschen an der Garderobe ab und gönnten sich Oper. Musik und Odessa gehören zusammen.

Als wir Richtung Oper kamen, sahen wir rundum Absperrungen, Umleitungen und Polizeipräsenz. Vor der Oper selber knubbelten sich fein gemachte Menschen, suchten Schutz unter alten Bäumen vor dem kalten Nieselregen. Wie wir später erfuhren, wurde gerade zu der Zeit Präsident Poroschenko erwartet.


Abends an Bord sollte eine ukrainische Folkloregruppe auftreten. Folklore für Touristen ist absolut nicht unser Ding. Es wurde aber auch ein Konzert mit den Philharmonikern im goldenen Saal des Literaturmuseums angeboten. Wir entschieden uns für das Konzert. Um halb acht holte uns der Bus ab.

Zuerst verschlug uns die goldene Pracht im Inneren den Atem, später die Musik. An die zwanzig Musiker, eine Sopranistin und ein Sopran spielten und sangen uns eine Stunde lang Gänsehaut pur.

Noch völlig berauscht kehrten wir zum Schiff zurück. Die Show mit den Folkloreleuten lief noch, eigentlich wollten wir sie nicht sehen, um den Eindruck von den Philharmonikern nicht zu zerstören, aber unser Theo überredete uns, doch noch in die Lounge mitzukommen. ..

Was wir dort noch eine gute halbe Stunde erleben durften, sprengte unsere Vorstellung von Touristen-Folklore. Einmalig, atemberaubend gute Künstler, Tänzer, Akrobaten und Sänger.

Dieser Abend geht für uns in die Geschichte ein. Ein Abend der Superlative.

Wir Vier ließen den verzauberten Abend in einer Bar ausklingen.

 

Morgen früh laufen wir wieder aus. Dann geht es weiter an der Krim vorbei nach Sotschi.

Es wird immer stürmischer.


Freitag, 24.10.2014

 

der Wind nimmt immer weiter zu. Die Temperaturen sinken rapide Richtung 0°.

 

Eigentlich sollten wir Donnerstag Abend um 23 Uhr auslaufen. Aber wir lagen auch Freitag Morgen noch im Hafen.

Und nicht nur morgens, auch mittags, abends, nachts......

Es stürmte immer heftiger, der Wind blies uns mit elf Meter/Sekunde den eisigen Winter um die Ohren. Kein Schiff durfte den Hafen verlassen, keins durfte rein.

 

Das Reisebüro an Bord arbeitete mit Hochdruck an neuen, zusätzlichen Angeboten für den Tag in Odessa. Wir buchten die Besichtigung Opernhaus und Tolstoi-Palast.

Oh, Mann, der goldene Saal abends vorher war schon eine Offenbarung, aber die Oper... absoluter Wahnsinn! Dieser Vorhang, die goldenen Balkone, egal, wo man hinsieht -

Die Odessa-Oper gehört zu Recht zu einer der vier schönsten Opernhäuser der Welt. Aber es ist nicht so, dass man sich irgendwie unwohl fühlt in dieser Pracht, dass sie einen erschlägt oder erstickt. Sie gibt nicht an. Sie ist überwältigend, aber nicht klotzig. Sie ist einfach nur schön.

Und, was sehr wichtig ist, sie hat eine hervorragende Akustik. Man kann flüstern, aber die Stimme trägt und verteilt sich. Noch während wir mit unserer Gruppe im Zuschauersaal staunten, trat oben die Sopranistin Désirée Brodka, die als Künstlerin an Bord der MS AMADEA war, an eine Balkonbrüstung und fing an zu singen. Ein Erlebnis!

 

Interessant war auch, dass im Theater wie auch später im Tolstoi-Palast mehrere Hochzeitspaare ihre Fotosesssion abhielten. Normalerweise hätten sie sich vielleicht eher draußen in einem besonderen Umfeld fotografieren lassen, aber bei dem Wetter...

Und, auch total interessant – auf der großen Freitreppe wurde eine Probe abgehalten. Nicht, wie wir vermutet hätten, auf der Bühne selber, nein, ganz provisorisch auf der Treppe. Während rundherum die Besucher herumwuselten.

 

Bevor wir zum Tolstoi-Palast weiterfuhren, erzählte uns die Guide noch, wie das in Odessa so mit den Verkehrsmitteln funktioniert. Busse fahren ohne Plan. Sie halten, wo gerade jemand steht oder aussteigen will. Und wenn der Fahrer morgens keine Lust hat oder vielleicht einen dicken Kopf, bleibt er zuhause. Und sein Bus auch. Vielleicht hat er auch gar keinen richtigen Führerschein. Learning by doing ist allgemein üblich. Ein Führerschein wird nicht unbedingt erarbeitet gegen teures Geld, sondern häufig verschenkt. So zum 18. Geburtstag vielleicht, zu Weihnachten, als Dankeschön oder gerne auch als Bestechung. Korruption ist normaler Alltag. Ohne läuft gar nichts.  Ehrlich geht anders.

 

Der Tolstoi-Palast, in dem der Cousin des Schriftstellers gelebt hat, fiel nach der faszinierenden Oper total ab. Ich gestehe zu meiner Schande, dass ich die Führung höchst lang(weilig)atmig fand. Die ukrainische Dame leierte monoton ihren Sermon herunter, der dann übersetzt wurde. Daten, Daten, Daten...

Interessant waren für mich eigentlich nur die kleine Galerie mit den Bildern und das auffallende Parkett mit der erstaunlichen Optik. Ein bisschen noch die verschlissenen Möbel. Aber sonst?

Da ist das Cognac-Museum sehr viel interessanter, erzählten unsere neuen Tischbekannten. Sie waren sehr angetan von dem „Shustov Cognac Winery Museum. Die Destillerie berühmter ukrainischer Cognac-Sorten wird seit rund 150 Jahren von der Familie Shustov geführt.

Von der Qualität der Spirituosen konnten sich die Damen anschließend selber überzeugen.

Sie waren überzeugt, erzählten sie lachend. Seit diesem Abend erweiterte sich unser Kreis am Tisch um Hannelore und Marlis. Wir wurden immer mehr. Erst nur wir Vier, die sich seit der Amazonas-Reise kennen, dann führte uns Rodel Isa an den Tisch, eine alleinreisende Dame aus der Schweiz und jetzt noch die beiden Nordlichter. Passt.

 

Die Abendshow präsentierte uns noch ein Highlight: das Crazy Concert des pianotainment. Diese zwei jungen Männer aus dem Allgäu gelten derzeit als eine der weltweit besten Klavier-Akrobaten. Sie spielen vierhändig, klassisch, rückwärts, tanzend, einfühlsam, Faxen-machend, virtuos.

Sollten Ihnen diese beiden Künstler jemals über den Weg laufen, gehen Sie ins Konzert!!! Es lohnt sich absolut!

 

Nachts auf dem Weg in die Kabine wagten wir noch einmal einen Blick auf die Wettervorhersage von der Brücke: die Windstärke bleibt!

Ob wir morgen hier rauskommen? Ob wir Sotschi noch schaffen und Sinop in der Türkei?

Vorgestern haben sie noch im Meer gebadet, hat uns die Guide mittags erzählt, jetzt stemmen sie sich vermummt bis zur Unkenntlichkeit gegen Sturm und den ersten Regen seit dem Frühjahr. Sommer mit 30-40°passé, Herbst ade – Winter.

Muss es denn ausgerechnet jetzt sein, wo wir hier sind?

TRAVEL????

 

Samstag, 25.10.2014

 

Wir lagen natürlich noch unverändert im Hafen. Aber es gab Hoffnung. Zwar waren die Wellen immer noch acht Meter hoch, aber – der Lotsendienst war wieder aufgenommen worden. Es hieß, ein paar Schiffe könnten den Hafen verlassen. Wir auch?

Um zehn Uhr wurde der Lotse an Bord genommen. Das Schiff musste in dem engen Hafenbecken bei immer noch heftigem Sturm gedreht werden. Zwei Schlepper würden dann versuchen, uns durch das Nadelöhr am Hafeneingang zu ziehen.....

 

Nach dem Frühstück eilten wir auf die Kabine, um die Kamera und Canon zu holen. Dieses Spektakel durften wir uns nicht entgehen lassen.Wir hatten das Außendeck noch nicht erreicht, als die Kapitäns Durchsage durchs Schiff hallte ...

Irgendwie hatten wir es ja befürchtet, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Wenn wir jetzt im Eilschritt nach einem frühen, schnellen Frühstück mit der Kamera bewaffnet aufs Deck rennen würden, dann - dürfte die MS AMADEA auch auslaufen.

Oder? - NEIN!

 

Die Stimme des Kapitäns dröhnte unüberhörbar durchs Schiff: Is nicht, geht nich, darf nich!

Wir bremsten unseren Run zum Außendeck und guckten uns an: Nee, ne? Noch ein Tag? Und wenn das Wetter sich nicht ändert? Was dann? Wir können doch nicht ewig hier in diesem kleinen Hafenbecken warten, bis das Wetter sich bequemt, besser zu werden? Nachher müssen wir noch ausgeflogen werden???

 

Auf die Außendecks durften wir auch nicht mehr. Und auf das eisige Odessa hatten wir keinen Bock. Also machten wir uns einen bequemen Tag im Inneren des Schiffes. Von meinem Bett aus guckte ich ganz in Ruhe den Film: Mamma Mia. Die ABBA Songs, Merryl Streep, sonniges Griechenland, Friede, Freude, Eierkuchen...ein kleines Schläfchen....

Der Tag verging wie im Flug. Waren wir tatsächlich noch in Odessa? Hätte genauso gut ein stürmischer Seetag sein können. Später drehten wir eine Runde durchs Schiff. Wenigstens ein paar Meter laufen. Wenigstens so tun, als ob. Draußen am Horizont tauchten immer mehr Frachter auf. Im Halbrund lagen sie weit draußen vor Anker, einer neben dem anderen. Sie alle warteten darauf, in den Hafen einlaufen zu können. Aber sie durften nicht. Ebenso wenig, wie wir auslaufen durften.

 

Abends sollte das Gala-Diner stattfinden, das abends vorher abgeblasen worden war, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich überlegte: soll ich vielleicht mal das schwarze Kleid anziehen? Normalerweise ziehe ich lieber lange Hose und Top an, seit ich in flachen Gesundheitslatschen laufen muss. Und die kommen nicht so gut mit Kleid. Aber ich baute darauf, dass das Dekolleté oben das Minus unten vielleicht wett machen würde.

Abends gab es wieder ein tolles Abendprogramm  mit dem AMADEA Show- Ensemble. Mann, waren die gut! Ausgebildete Musicalsänger und Tänzer. Absolute Profis. Dazu die fantastischen Kostüme! Das hatte aber vor zwei Jahren anders ausgesehen. Ganz anders.

 

In der Nacht zuvor hatte unsere Tischnachbarin zuhause ihren Vater verloren. Wir konnten nichts sagen, solange sie von sich aus nichts sagte. Denn noch waren wir Fremde, Zufallsbekannte, lediglich Tischnachbarn. Bis sie abends selber erzählte. Und wir zusammen wuchsen.

 

Es waren gefühlte minus 8 Grad. Der Wind blies direkt aus Sibirien. Warum nur haben wir keine Winterklamotten eingepackt? Stiefel, Rollkragenpullover, Mützen, Handschuhe...? Warum haben wir das nicht geahnt? Der Kälte oder Not gehorchend zwiebelten wir uns ein. Shirt über Shirt über Shirt und zur Garnierung noch ein Sommerpulli obendrauf. Und ein Jäckchen. Ich kam mir vor wie ein weibliches Michelin-Männchen.

Wir hofften auf den nächsten Tag. Langsam hatten wir die Faxen dicke. Wir wollten endlich raus hier. Weiter. Obwohl, mit diesem Zeitverlust mussten wir auf direktem Weg zurück zum Bosporus. Kein Sotschi mehr, kein Sinop.

Das Schwarze Meer nur kurz angeschnuppert. Wütende Stimmen wurden laut: Das machen die doch extra, die wollen sich nur die Liegegebühren in Sotschi und Sinop sparen...

Die sind an die Kette gelegt worden, weil sie die Liegegebühr in Odessa nicht bezahlt haben.....

Das Wetter ist doch nicht so schlimm, der Kapitän könnte doch locker auslaufen....

Schweinerei......

Erst wird die Krim gestrichen... das Auswärtige Amt, sagen die.....

Dann noch der ganze Rest vom Schwarzen Meer............

Es gibt immer neben all den sehr netten Leuten an Bord eine Handvoll, die alles besser wissen, besser als der Kapitän, der Hafenmeister, der Kreuzfahrtdirektor, besser als jeder Nautiker sowieso.

In seiner Abschiedsrede später erklärte der Kapitän ausführlich, und das nicht nur einmal,  dass der Grund ausschließlich das Wetter war. Er hatte schlicht keine Erlaubnis, den Hafen zu verlassen. Und auf eigene Faust trotzdem auszulaufen, wie es vor ihm ein anderer Kapitän in derselben Situation mal versucht hatte und kläglich dabei gescheitert war, - das wollte er sich und uns nicht antun.

Einzig und alleine das Wetter war Schuld an der ganzen Misere, und dafür kann niemand etwas. Das ist höhere Gewalt. Trotzdem zeigte sich Phoenix sehr großzügig und schenkte jedem zwei Tage bei Buchung der nächsten Kreuzfahrt. Ein Schlingel, wer sich Böses dabei denkt.

Für mich natürlich ein gutes Argument für meinen Finanzminister!

 

Acht Uhr am nächsten Morgen, der vierte Morgen in Odessa. Gespannt warteten wir auf die Durchsage des Käpitäns. Was sagt er? Können wir endlich raus?

Ja, wir dürfen! Halleluja!

Wir rannten an Deck. Die Sonne strahlte, aber es war noch immer schneidend kalt. Zwei Schlepper manövrierten sich in Position, um die MS AMADEA im Hafenbecken zu drehen. Wie ein Kind im Mutterleib, bevor es heraus kann. Das Heck musste komplett herum gezogen werden. Ganz dicht an der Hafeneinfahrt vorbei. Es war natürlich gesperrt für die Passagiere. Spannung pur. Trauben von Menschen hingen mit ihren Kameras über der Bordwand und verfolgten die Millimeterarbeit der zwei Schlepper. Die Ausfahrt ist wirklich wahnsinnig eng! Draußen auf dem Meer zählten wir inzwischen zwanzig Frachter in Warteposition. Wie lange musste es wohl dauern, bis die alle in den Hafen rein, abgefertigt und wieder raus sind? Schiff für Schiff?

 

Wir jedenfalls hatten es geschafft! Die Abschiedsmelodie schwebte übers Schiff wie Engelsgesang. Noch nie hatten wir sie so gerne gehört! Endlich raus aus dem Hafen, rein ins offene Meer. Auch, wenn es schweinekalt war und ordentlich stürmte. Vorne am Bug konnte man sich kaum auf den Füßen halten. Trotzdem verharrten wir noch eine Weile an Deck und atmeten die frische Brise. Das Leben in meinen Händen verabschiedete sich, sie färbten sich schneeweißchenweiß, und ich war dankbar, dass sie nicht einfach so ab und ins Meer fielen. Aber egal, wir nahmen Kurs auf Mykonos und dort sollten himmlische 20° sein!


Dienstag, am 28.10.2014, steuern wir langsam auf Mykonos zu. Endlich!

 

Nach der Ausfahrt aus dem Hafenbecken von Odessa waren wir erst mal einfach nur froh, raus zu kommen, auch, wenn es mächtig schaukelte. Der Sturm hatte zwar nachgelassen, aber er spielte noch immer mit uns. Leute mit empfindlichem Magen hatten schon ihre Probleme. Aber wir waren weiterhin absolut seefest und konnten jede Mahlzeit genüsslich genießen. Wir alle an unserem Tisch.

Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass im Bosporus ein havariertes Handelsschiff getrieben hatte. Erst kurz, bevor wir die Stelle passierten, war die Meerenge wieder frei geworden. Glück gehabt. Ätschi, Travel-Chaos! Falsches Timing! Setz dich mal lieber langsam zur Ruhe. Du wirst alt!

 

Die MS AMADEA fuhr unermüdlich ihren Kurs, an Istanbul vorbei, durchs Marmarameer, endlich wieder wärmeren Regionen entgegen.

Mykonos ist nur eine der vierundzwanzig bewohnten Kykladen. Eine ganz typische, griechische Insel mit herrlichen Stränden unter tiefblauem Himmel. Der internationale Jetset ist hier zuhause.

Wir wollten uns die Hauptstadt Chora oder auch Mykonos-Stadt ansehen mit den berühmten Windmühlen.

 

Am Vormittag legte die MS AMADEA an. Vor uns kahle Hügel mit weißen Gebäuden, vielleicht Hotelanlagen, die sich wie aufgestapelte Schuhkartons auf den Hängen verteilten. Unten im Hafen etliche von diesen hübschen, weißen Bötchen, die fast kein Geld kosten. Die Sonne strahlte, und es war angenehm warm.

Wir hätten natürlich die drei Kilometer laufen können bis zur Altstadt und den Windmühlen. Aber so ganz schrecklich viel Zeit hatten wir nicht. Nur bis gut vier Uhr. Also nahmen wir einen der Shuttlebusse, die vom Hafen bis zur Stadt fuhren. Wir Vier, die inzwischen zu wir Sechs geworden waren: Hedwig und Theo, Marlis und Hannelore und wir. Isa, die siebte im Bunde, hatte eine Bustour gebucht.

Schon von weitem sahen wir, dass Menschenmassen unterwegs waren. Touristen? So viele? Nee, da wollten wir nicht hin. Wir bogen sofort in die erste Gasse links ein, weg von dem Gewimmel. Thomas hatte uns im Vorfeld erzählt, dass man hier keinen Stadtplan braucht. Verlaufen kann man sich auch nicht. Schon sehr bald wussten wir auch Bescheid. Eine Gasse ist wie die andere. Irgendwie. Eng, aufwärts, abwärts, eine wunderschöne Art von großformatigem Kopfsteinpflaster, blendendes Weiß und Blau, wohin man sieht. Kleine Kirchlein, Bougainvillea und Eukalyptusbäume, Katzen, Hunde, Lädchen mit sehr hübschen Sachen, ein eindrucksvoller Friedhof und überall festlich gekleidete Menschen. Ob heute ein besonderer Tag war? Ganz Mykonos-Stadt schien auf den Beinen zu sein. Daher wahrscheinlich auch die Menschentrauben unten am Wasser, vor denen wir geflüchtet waren. Die Kinder hatten offensichtlich schulfrei. Piekfein angezogen an der Hand ihrer Mütter, die auf ihren Highheels sicher wie ich in meinen alten Turnschuhen über das unebene Pflaster stöckelten.

Es war tatsächlich ein hoher, wenn nicht gar der höchste Feiertag.

Langsam schlenderten wir hierhin und dahin, bis wir auf einmal zu den Windmühlen kamen. Den wohl bekanntesten Wahrzeichen der Insel. Früher brachten die Menschen von den umliegenden Inseln ihr Getreide hierhin, um es mahlen zu lassen.

Ach, es ist einfach traumhaft hier! Dieses blendende Weiß überall inmitten des leuchtenden Blau von Himmel und Meer. Dazu blaue und rote Türen und Läden, die Vielfalt der Blumen und Blüten...

Also, wenn ich zum Jetset gehören würde, dann würde ich mir eine kleine, schnucklige Yacht kaufen und hier vor Anker gehen. Und nie mehr weggehen. Höchstens, um ab und an die anderen tollen Plätze der Erde anzusteuern (lassen). Aber ich bin ja aus Emmerich, weit, weit weg vom Jetset:-)

 

In einer dieser verwinkelten Gassen kaufte ich mir zusammen mit Marlis und Hannelore zwei wunderschöne Schals aus Seide und Viskose. Ich muss eine Eingebung gehabt haben, denn diesmal hatte ich selber Geld mitgenommen. Was ich normalerweise immer meinem Finanzminister überlasse. Der dann, seinen Eingebungen folgend, immer weit weg ist, wenn ich irgendwo stehen bleibe und den Laden am liebsten leer kaufen möchte.

Weiter ging es nach Klein-Venedig, wo die Gebäude tatsächlich auch mit den Füßen im Wasser stehen. Wie bei der großen Schwester. Dort unten am Wasser überfiel uns der Mangel an Mittagessen und wir sanken in Ermanglung unseres Speisesaals ersatzweise auf die Holzstühle eines Draußen-Restaurants. Aber da hat's uns auch geschmeckt. Natürlich kein Vergleich – aber...

 

So schön es hier auf Mykonos auch ist, der Abschied fiel mir nicht sehr schwer. Irgendwie freue ich mich immer, wenn ich die wacklige Gangway wieder hoch steige und einchecken kann. Ich gehöre dazu. Zuhause auf Zeit.

 

Und weiter geht’s Richtung Adria. Übermorgen erreichen wir Dubrovnik in Kroatien. Und dann, am nächsten Tag, ist die Reise in Venedig leider schon wieder zu Ende ...


Mittwoch, 29. Oktober 2014,  Seetag.

 

Wir schipperten durch die Adria auf Dubrovnik zu. Die letzte Station vor dem Urlaubsende. Natürlich war das wieder ein Grund für einen zünftigen Frühschoppen auf Deck neun. Das Wetter spielte wieder zu unseren Gunsten, also konnten wir uns wunderbar draußen aufhalten und ab und an sogar mal das Gesicht in die Sonne halten.

Das Buffet auf den Tischen nahm langsam Gestalt an und wurde bayrisch schweinisch. Aber solange so ein totes Tier oder Fisch noch Originalgestalt haben und mich womöglich noch mit anklagenden Augen anschauen, kann ich es nicht essen. Auch nicht, wenn die Musi lustig spielt und sich überall Lederhosen und stramme Waden tummeln.

 

Gegen Mittag kam uns unsere ältere Schwester entgegen: die MS ALBATROS, bestens bekannt aus der Fernsehserie „Verrückt nach Meer“. Sie fuhr die Adria runter, wir rauf. Wenn es möglich gewesen wäre, hätten sie sich bestimmt umarmt. So blieb es beim Rufen und Winken und dem tiefen Brummen der Schiffshörner, tuuut – tuuut! Ich schätze, die Fische tief unter uns haben ihre Augen verdreht: Los, Leute, abtauchen, da oben ist Karneval! Es war schon ein Erlebnis: zwei fast gleich große, weiße Schiffe, die mitten auf der Adria mit grün schäumender Heckwelle aneinander vorbei ziehen. Aber während die MS ALBATROS als die White Lady über die Weltmeere schippert, ist unsere MS AMADEA die First Lady.

Nachmittags hatten wir Gelegenheit zu einer Backstage-Besichtigung. Dass da hinter dem Vorhang nicht allzuviel Platz sein kann, war uns schon klar. Ist ja schließlich nur ein Schiff mit begrenztem Raum. Aber dass es soooo eng ist, das war schon heftig und erzeugte bei mir sofort einen Anflug von Klaustrophobie. Da musste jedes Kostüm, jedes Accesoire millimetergenau an seinem Platz liegen. Und zwar von allen. Oftmals hatten sie nur zwei Minuten zum Ab-und Umschminken und Umziehen. Wahnsinn.

Die beiden Pianisten von Pianotainment waren auch mit dabei. Irgendwann fasste ich mir ein Herz und sprach den Einen an: "Entschuldigen Sie, wenn ich Sie immer so ansehe, aber Sie erinnern mich unheimlich an meinen Schwiegersohn."

"Och, vielleicht bin ich es ja?"

"Nee", sagte ich leicht verlegen. "Er ist Engländer und hat auch ein paar Haare weniger, aber ansonsten..."

Wir flapsten noch ein bisschen rum. Aber abends, als wir in der Lounge saßen und die beiden Piano-Jungs ihren Auftritt hatten, kam irgendwann, unerwartet, zwischendurch diese Sequenz und dann anschließend sofort die Frage: "Ist die Dame hier?"

Jau, die Dame war hier und stand leicht betreten auf....

Aber jetzt greife ich vor...

 

Abends wurde es Ernst mit Abschiednehmen von dieser aufregenden Reise. Bevor alle Klamotten wieder im Koffer verschwinden würden, sollten sie sich noch einmal von ihrer besten Seite zeigen.

Sektempfang mit dem Kapitän, der in der Lounge noch einmal seine Mannschaft vorstellte. Danach zum letzten Mal ein absolut köstliches Dinner, das Kapitäns Abschieds Abendessen.

Ich sag nur, einfach so zum Beispiel: Halber Langustenschwanz vom Grill, Soße Maltese, zweierlei Spargel, Kartoffelmousseline – vorher kalte Vorspeise und Salatkreationen, Suppe, Sorbet – und hinterher Desserts und Petits Fours.....

Und das Schöne bei der AMADEA ist, man kann die Speisekarte rauf und runter essen. Was besonders lecker schmeckt, auch zwei-oder dreimal. Je nach Lust und Laune. An unserem Tisch wurde der Langustenschwanz von fast allen zweimal bestellt. So köstlich hat er geschmeckt.

Aber ich hatte mir ein Rinderfiletsteak mit Erdnusskruste bestellt, dazu Asia-Gewürzreduktion, sautierte Sesambohnen, Reisküchlein... (Und nur einmal, möchte ich betonen)

 

Unser Ober Rodel blieb nach dem gleichzeitigen Servieren mit seinen Jungs immer am Kopfende stehen, die Hände verschlungen, seine Augen huschten noch einmal flink von Teller zu Teller und dann zu seinem Gedächtnis, bevor mit einem tiefen Atemzug anfing, unsere  Gerichte einzeln zu benennen. Deutsch verknotet den armen Jungs die Zunge, und obwohl sie Deutschunterricht an Bord haben, ist es für einen Philippiner sehr schwer, die Wortkreationen auf First-Class-Speisekarten blind aufzusagen. Aber es klappte immer. Fast.

Einmal allerdings fing er an: Gebratenes Wolfsbarschfilet mit …...(Blackout)....... trallala!

Der gute Rodel ist nicht nur ein perfekter Ober, er ist auch ein gnadenloser Charmeur und ein bisschen crazy. Mit einem Kumpel tritt er auf als „Disaster Duo“. Seine Gäste lieben ihn.

 

Am Donnerstag Morgen lagen wir vor Dubrovnik/ Kroatien. Perle der Adria, Weltkulturerbe der UNESCO. Eine Stadt mit einer historisch bedeutsamen Altstadt, eine ehemalige Bastion mit gewaltigen Wehrtürmen. Teile davon sind noch heute erhalten. Obwohl der furchtbare Krieg Anfang der Neunziger sehr viel zerstört hat, merkt man heute nichts mehr davon. Vielleicht, höchstens, das unterschiedliche Mauerwerk vieler Häuser. Ansonsten denkt man, die Stadt ist noch ursprünglich. Uralt. Dank der UNESCO, die den Wiederaufbau ermöglicht hat.

Wir machten uns mit einem Stadtplan per Taxi auf den Weg in die Innenstadt. Zu Fuß wären die drei Kilometer ein bisschen zu weit gewesen, denn so schrecklich viel Zeit hatten wir nicht. Am Piletor wollten wir den Stadtrundgang auf der 1.949 Meter langen Befestigungsmauer beginnen. Sie ist das bekannteste Merkmal der Stadt. Diese mächtige, begehbare Stadtmauer, an der sich früher bestimmt sämtliche Feinde verzweifelt die Zähne ausgebissen haben.

Die Währung in Kroatien ist Kuna. Im Leben nicht gehört. Auch noch nie im Portemonnaie gehabt. Aber genau die verlangten sie am Eingang zur Mauer. Oder Kreditkarte. Wir hatten aber alle nur Euro dabei, und unsere Kreditkarten lagen sicher verwahrt auf der Kabine im Safe. Da, wo sie bei Landgängen hin gehören.

Na gut, dann also nicht! Wir können die Stadt auch von unten besichtigen!

Eine gute Entscheidung, wie sich herausstellte, sogar noch viel interessanter. Mittendrin, hautnah, fühlen, riechen, spüren, den Pulsschlag der Stadt aufnehmen. Eine breite Prachtstraße, Fußgängerzone, rechts und links enge Gassen bergan, die Franziskanerkirche mit dem Kreuzgang und der alten Apotheke, einer der ältesten Europas von 1317, die noch im ursprünglichen Zustand ist. Kirchen, Kirchen, Paläste, Museen, der Glockenturm, wuchtige Gebäude, die anscheinend seit Urzeiten hier stehen, der Hafen, überall die Quader der Stadtmauer, eine Seilbahn, die auf den Berg hochfährt...

Immer wieder neue Ausblicke, hier noch mal um die Ecke, da noch mal lang. Der intensive Duft nach Lavendel zeigte uns den Weg zum Markt. Ein kleines Museum mit Fotos der überwiegend jungen, sehr jungen Männer, die im Balkan-Krieg 91/92 ihr Leben verloren haben. Dazu schreiende Videos von Bomben, Inferno, Feuer und Blut. Zerstörung und Tod.

Wir liefen, bis unser Rücken jaulte und die Schuhsohlen nach der Feuerwehr schrien.

Wir mussten zurück zum Schiff. Obwohl wir noch eine halbe Stunde Zeit gehabt hätten.

Obwohl Theo das Herz blutete.

Schließlich mussten wir ja auch noch Koffer packen. Dann noch einmal fürstlich zu Abend essen, Showprogramm, ein letztes Mal in 617 zu Bett gehen und dann – finito. Venedig – Abflug! Adieu!

 

Der Abschied am nächsten Morgen war sehr bewegend. Vorbei die Gemeinschaft, jetzt ging jeder wieder seine eigenen Wege. Hedwig und Theo hatten Nachprogramm in Venedig, Isa blieb noch zwei Wochen an Bord, unsere Jungs, allen voran unser Rodel, sowieso; Hannelore, Marlis und wir flogen heim. Sie in den Norden, wir nach Westen.

 

Ende einer abenteuerlichen Kreuzfahrt. Einfach kann schließlich jeder...

Oder, Travel...???

damit war unsere letzte Kreuzfahrt leider zu Ende....

Wir haben viel gesehen, erlebt, neue Leute kennen gelernt, alte Freundschaften vertieft...

 


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